Lebensbedrohliche Notfälle – was tun ? Pilotlehrgang Erste Hilfe im Feuerwehrdienst

Lebensbedrohliche Notfälle – was tun ? Pilotlehrgang Erste Hilfe im Feuerwehrdienst

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Wie überragend wichtig Kenntnisse im Rahmen der Ersten Hilfe und das effektive Funktionieren der sogenannten Rettungskette sein können, zeigt dieser Fall aus dem Bereich der Integrierten Leitstelle Bayreuth/Kulmbach:

Faschingssamstag 2013. Alexander Geminn aus Bayreuth bereitet in der Küche das Essen für den nächsten Tag vor, als er leblos zusammensackt. Eine Woche später wacht er wieder auf. Ein vorbildlicher Rettungseinsatz rettete ihm das Leben.

Die Karten für das Basketballspiel liegen bereit, schnell noch Essensvorbereitungen für den kommenden Tag treffen. Alexander Geminn und seine Frau haben Besuch aus Norddeutschland. Stefan Schnack aus Schleswig-Holstein ist zum ersten Mal zu Besuch in Bayreuth. Die Ehefrauen kennen sich von berufs wegen. Plötzlich, etwa 20 Minuten vor 18 Uhr ein dumpfer Schlag in der Küche. „Das klang nicht nach einem Gegenstand, ich ahnte sofort was Sache ist“, erinnert sich Schnack. Die Tür zur Küche ist versperrt. Offenbar liegt Alexander Geminn leblos dahinter. Seiner Frau geling es, sich durch den schmalen Türspalt zu zwängen und den Leblosen etwas zur Seite zu ziehen. Die Tür geht auf. „Ruft den Notruf – sofort!“. So oder so ähnlich müssen die Worte von Stefan Schnack gelautet haben, der umgehend mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnt. Währenddessen wird der Notruf abgesetzt. Am anderen Ende der Notrufleitung sitzt Rettungsassistent Matthias Brendel. Er fragt innerhalb von 120 Sekunden das Szenario ab und bringt in dieser Zeit einen Rettungstransportwagen und den Notarzt auf den Weg zur Einsatzstelle. Ein einsatztechnisch eher ruhiger Samstagabend erlaubt es dem Disponenten in der Leitung zu bleiben und die Angehörigen und Freunde der leblosen Person wichtige Tipps zur Reanimation zu geben. Kollegen können ihm den Rücken dafür frei halten und übernehmen in dieser Zeit Brendels Aufgaben.

Nur neun Minuten nach Eingang des Notrufes erreichen Rettungsassistent Helmut Förschler und sein Kollege Jonas Engert die Einsatzstelle. Sie haben zuvor das etwa 50 Kilogramm schwere Equipment in den 4. Stock getragen und übernehmen sofort die weiteren Maßnahmen. Wenig später erreicht auch Notarzt Dr. Stefan Eigl die Wohnung. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes hat Stefan Schnack den Kreislauf mit Herzdruckmassage Aufrecht erhalten. „Als ich mit der Massage begann bekam der Betroffene wieder eine „gesunde“ Gesichtsfarbe. Das war für mich das Zeichen, dass er mich nicht verlassen wird“, erinnert sich Schnack. Etwa 10 Stromstöße aus dem Defibrillator seien nötig gewesen, um das Herz wieder in Gang zu bringen, so Eigl. Wenige Minuten später erfolgt der Abtransport ins Krankenhaus. Die Ständige Wache der Feuerwehr Bayreuth kommt zu Hilfe und bringt den Patienten liegend mit dem Rettungskorb zu Boden. „Die Anfahrt war für die große Drehleiter wegen der Schneemassen nicht ganz einfach, aber die Kollegen der Feuerwehr haben das prima im Griff gehabt“, erinnert sich Eigl. Mit Blaulicht und Martinshorn eilt der Rettungswagen in die Klinik. Dort steht bereits das Team der Notaufnahme Gewehr bei Fuß. Diagnose: Herzinfarkt. Kurze Zeit später geht es in das Herzkatheterlabor. Es ist kurz vor 19 Uhr. Warten! Nach gut einer Woche erwacht Geminn erstmals nach dem Zusammenbruch im Klinikum Bayreuth – ohne Schädigung des Gehirns. „Was passiert war habe ich nicht mitbekommen, mein Gedächtnis reicht bis an den Morgen des Ereignistages“, sagt er.

Gut zwei Monate sind nach dem Kreislaufstillstand vergangen. Der Patient ist wieder wohlauf und kann seiner Arbeit nachgehen. Es sei spannend die Menschen kennen zu lernen, die ihm das Leben gerettet haben, sagt er. In den Räumen der ILS an der Feuerwache ist er erstmals mit dem befreundeten Ersthelfer, dem ILS-Disponenten, der Rettungswagenbesatzung und dem Notarzt zusammengetroffen, die an diesem Abend im Einsatz waren. „Diesen besonderen Moment gibt es nur in den seltensten Fällen“, erinnert Eigl. Nur durch die wertvolle Reanimation durch Stefan Schnack sei es geglückt, seinen Bekannten wieder so herzustellen. Stefan Schnack zögerte übrigens keine Sekunde und wusste sofort, was zu tun ist. Als Aktiver der Freiwilligen Feuerwehr seiner Heimatgemeinde Gönnebek in Schleswig-Holstein wird er drei- bis viermal pro Jahr in Erster Hilfe geschult. Trotzdem habe er sich kurz nach dem Ereignis gefragt, ob er alles richtig gemacht hatte. Ein Gespräch mit einem Rotkreuzausbilder in seiner Heimat bestätigte ihm dies. Und nicht zuletzt der Ausgang dieses Unglücks ist der wahrhaftig lebende Beweis dafür, dass richtige Basismaßnahmen unerlässlich sind. „Ich war mir erst unsicher ob ich alles richtig gemacht habe, aber ich werde es jederzeit wieder tun“, stellt Schnack fest, der allen Bürgerinnen und Bürger dringend empfiehlt, regelmäßig ihre Erste Hilfe-Kenntnisse aufzufrischen.

Notarzt Eigl, der auch Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Bereich Bayreuth ist, spricht von einer optimalen Rettungskette, die am Unglückstag nicht ein einziges schwaches Glied hatte. Vom Absetzen des Notrufes über die Laienreanimation des Ersthelfers, die Versorgung durch den Rettungsdienst, die Drehleiterrettung durch die Feuerwehr und die rasche und optimale Versorgung in der Klinik hat alles gepasst. Besonders lobend erwähnt Eigl den Umstand, dass der Leitstellendisponent bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes in der Leitung blieb und wertvolle Tipps an die Betroffenen geben konnte. Laut Eigl sind im bundesweit geführten Reanimationsregister jährlich rund 30.000 Patienten geführt, die einen Kreislaufstillstand erleiden. In 50 Prozent der Fälle wird der Stillstand von Dritten beobachtet, wovon rund 17 Prozent Erste Hilfe-Maßnahmen ergreifen. Zu wenig meint Notarzt Eigl, der den reibungslosen Rettungsablauf vom Februar als Auftakt für eine Werbekampagne für Herz-Lungen-Wiederbelebung nehmen möchte. Noch in diesem Jahr werde es in der Region zahlreiche Informationsveranstaltungen geben um den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, wie wichtig Laienreanimation in solchen Notfällen ist, so Eigl. „Wenn wir vermitteln können, dass Helfen kinderleicht ist, könnte die Quote erfolgreicher Reanimationen deutlich verbessert werden“, sagt der Mediziner. „Viele Menschen ekeln sich vor der Mund-zu-Mund-Beatmung. Unser Tipp: Weglassen! Einfach zwischen den Brustwarzen mit der Herzdruckmassage beginnen und so den wertvollen Grundstein für ein Leben danach legen. Der größte Fehler den in der Ersten Hilfe begangen werden kann ist nichts zu tun“. Die Integrierte Leitstelle Bayreuth/Kulmbach (ILS) hat unterdessen derzeit zwei Kollegen in Ausbildung, die in Telefonreanimation geschult werden. Nach Angaben von ILS-Leiter Markus Ruckdeschel werden diese Mitarbeiter dann als Multiplikatoren wirken und die anderen Disponenten schulen. „So können wir die telefonische Begleitung im Notfall etablieren, wie sie in diesem Fall zufällig und durch glückliche Umstände zustande kam“, erklärt Ruckdeschel. Eine Aktionswoche zur Laienreanimation ist im September 2013 geplant.

Wiedersehen nach zwei Monaten: Alexander Geminn (2.v.l.) trifft seine Lebensretter (von links) Notarzt Dr. Stefan Eigl, Ersthelfer Stefan Schnack, Rettungsassistent (i.P) Jonas Engert und Rettungsassistent Helmut Förschler. Dahinter mit im Bild: ILS-Leiter Markus Ruckdeschel. Im Vordergrund: ILS-Disponent Matthias Brendel, der den Notruf entgegennahm.
Wiedersehen nach zwei Monaten: Alexander Geminn (2.v.l.) trifft seine Lebensretter (von links) Notarzt Dr. Stefan Eigl, Ersthelfer Stefan Schnack, Rettungsassistent (i.P) Jonas Engert und Rettungsassistent Helmut Förschler. Dahinter mit im Bild: ILS-Leiter Markus Ruckdeschel. Im Vordergrund: ILS-Disponent Matthias Brendel, der den Notruf entgegennahm.

 

 

 

Text und Fotos: ILS Bayreuth/Kulmbach und Sven Kaniewski, Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit

Ausbildung, Erste Hilfe, Hummeltal, ILS, Pilotlehrgang

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